In Hof kulminiert dieser Wandel. Eine Brauerei mit fast zwei Jahrhunderten Geschichte verliert ihren Standort, die Marke bleibt am Leben – an einem anderen Ort.
Ein Abschied, der sich abzeichnete
Die Scherdel-Brauerei in Hof schließt. Der Eigentümer, die Kulmbacher Gruppe, beendet den Betrieb zum Ende des kommenden Jahres. Der Standort gilt nicht mehr als wirtschaftlich tragfähig. Das Absatzvolumen der Marke hat sich in zwei Jahrzehnten halbiert. Gleichzeitig zogen Kosten für Rohstoffe, Energie und Personal spürbar an. Investitionen wären nötig, rechnen sich am Standort aber nicht mehr.
35 Arbeitsplätze sind betroffen. Die Produktion der Marke zieht nach Neuensalz im sächsischen Vogtlandkreis um.
Scherdel gehört seit 2003 zur Kulmbacher Gruppe. Damals übernahm der Konzern die Brauerei nach der Insolvenz der Scherdel Privatbrauerei. Seither liefen Anstrengungen, den Standort zu stabilisieren. Sie reichten am Ende nicht.
Zahlen, die die Lage erklären
Absatz gedrückt, Kosten gestiegen
Die Entwicklung am Biermarkt trifft kleinere und mittlere Standorte zuerst. Weniger Bierkonsum in Deutschland, intensiver Wettbewerb im Handel, höhere Fixkosten in Produktion und Logistik. Hof bekam das deutlich zu spüren. Ein halbierter Absatz verlangt nach Effizienz, die alte Gebäude und kleine Chargen kaum hergeben.
- Absatz der Scherdel-Biere in den letzten 20 Jahren: etwa halbiert
- Beschäftigte am Standort Hof: 35 Personen
- Geplante Verlagerung: Produktion nach Neuensalz (Vogtlandkreis, Sachsen)
- Übernahme durch Kulmbach: 2003 nach Insolvenz der Privatbrauerei
Marke bleibt, Brauhaus geht
Die Marke Scherdel verschwindet nicht. Die Biere werden weiter gebraut, künftig im Kulmbacher-Standort Neuensalz. Für Konsumentinnen und Konsumenten ändert sich zunächst die Herkunft des Suds, nicht zwangsläufig der Geschmack. Rezepte, Hefen und Prozessführung lassen sich transferieren. Wasserprofile unterscheiden sich regional und beeinflussen die Sensorik. Moderne Brauereien justieren dabei den Brauprozess, um den Zielgeschmack zu treffen.
Die Flasche bleibt im Regal, der Sud kommt künftig aus Sachsen. Für viele ist das ein kultureller Bruch – für die Marke ein Überlebensweg.
Folgen für Belegschaft und Stadt
Die 35 Mitarbeitenden erhalten Angebote für Jobs an anderen Standorten des Konzerns. Versetzungen lösen nicht jede Sorge. Pendelwege, Umzüge, familiäre Bindungen und Qualifikationen spielen eine Rolle. In der Region Hof fällt zugleich ein industrieller Arbeitgeber weg. Zulieferer und Dienstleister verlieren Aufträge. Kommunen müssen auf Gewerbesteuer und Kaufkraft reagieren.
Was jetzt auf Beschäftigte zukommt
Branchenüblich folgen Gespräche über Transferlösungen, Qualifizierung und Übergänge in andere Bereiche. Betriebsrat und Management verhandeln oft über Sozialpläne. Wer wechseln will, prüft Fahrtzeiten nach Neuensalz oder zu anderen Kulmbacher-Standorten. Die Strecke Hof–Neuensalz liegt je nach Route bei rund 45 Kilometern. Für manche ergibt das ein realistisches Pendelmodell, für andere nicht.
Unklare Zukunft des schlappenbiers
Ein besonderes Puzzleteil ist das Schlappenbier. Es gehört zum Hofer Schlappentag, einem der ältesten Schützen- und Handwerkerfeste in Deutschland. Das Bier erscheint nur zur Saison und besitzt eine starke lokale Identität. Wie es künftig gebraut und vermarktet wird, steht noch nicht fest. Entscheidend werden Rezepttreue, Produktionsfenster und die Zusammenarbeit mit den Hofer Vereinen sein.
Das Fest lebt vom Ritual. Bleibt das Schlappenbier verlässlich und geschmacklich stimmig, kann die Tradition weitertragen – auch ohne Sudkessel in Hof.
Kosten- und Marktkräfte auf einen blick
| Faktor | Entwicklung | Wirkung auf Hof |
|---|---|---|
| Rohstoffe (Malz, Hopfen) | Preisschwankungen, teils deutlich höher | Teurere Sude, geringere Marge |
| Energie | Stark gestiegen seit 2022 | Hohe Fixkosten je Hektoliter |
| Personal | Tarifsteigerungen, Fachkräftemangel | Mehrkosten, schwierigere Planung |
| Investitionen | Erneuerungsbedarf bei Anlagen | Am Standort wirtschaftlich schwer darstellbar |
| Markt | Rückläufiger Pro-Kopf-Verbrauch | Weniger Absatz, Preisdruck |
Warum so viele brauereien unter druck stehen
Der Bierkonsum sinkt seit Jahren. Jüngere Zielgruppen greifen öfter zu alkoholfreien oder anderen Getränken. Der Handel bündelt Mengen auf wenige starke Marken. Kleinere Standorte geraten dadurch in eine Kostenspirale. Energieintensive Prozesse wie Würzekochen oder Kälteerzeugung treffen Standorte mit älteren Anlagen besonders hart. Gleichzeitig wollen Konsumenten Vielfalt und Regionalität. Beides zusammen führt zu tiefgreifenden Umbrüchen in der Braulandschaft.
Geschmack, wasser, ort
Schmeckt Scherdel künftig anders? Das hängt von mehreren Parametern ab. Wasserhärte und Mineralien wirken auf die Bittere und Malznoten. Braumeister können das mit Behandlung und Maischeführung ausgleichen. Hefe stammt oft aus dem gleichen Stamm und prägt das Aromaprofil. Hopfensorten und Rasten lassen sich reproduzieren. Sensorische Feinanpassungen brauchen Zeit. Marken, die den Standort wechseln, arbeiten üblicherweise mit eng geführten Verkostungsreihen, bis das Zielprofil stabil steht.
Was konsumentinnen und konsumenten jetzt wissen sollten
- Die Marke bleibt im Handel, die Herkunft auf dem Etikett kann sich ändern.
- Rückfragen zu Leergut, Pfand und Reklamationen beantwortet künftig der Standort Neuensalz.
- Limitierte Saisonsude wie das Schlappenbier benötigen klare Ankündigungen. Wer sammelt, notiert Jahrgang und Abfüllort.
- Lokale Gastronomie könnte vorübergehend umstellen. Sensorische Unterschiede lassen sich in Blindverkostungen prüfen.
Worauf städte und regionen achten
Wenn eine Traditionsbrauerei geht, bleibt mehr als ein leeres Gebäude. Stadtmarketing, Tourismus und Festkultur brauchen neue Vereinbarungen. Gelingt eine verlässliche Belieferung, können Feste wie der Schlappentag stabil bleiben. Kommunen prüfen Nutzungskonzepte für das Areal: Handwerk, urbane Produktion, Kultur oder Wohnen. Denkmalfragen und Lärmschutz spielen bei Umwidmungen eine Rolle. Für lokale Lieferketten lohnt ein Runder Tisch mit Handel, Gastronomie und Vereinen.
Hinweise für beschäftigte und betroffene betriebe
Betriebe in der Region sollten ihre Verträge prüfen. Wer Liefer- oder Werbekooperationen mit der Hofer Braustätte hat, klärt Ansprechpartner und Konditionen neu. Für Beschäftigte können Weiterbildung, Tarifwechsel und Pendelmodelle Optionen eröffnen. Wer die Chance auf interne Versetzung nutzt, sollte Qualifikationen dokumentieren und Übergangsfristen schriftlich fixieren. Transfergesellschaften und Förderprogramme können Wege in verwandte Branchen wie Getränkeabfüllung, Logistik oder Instandhaltung öffnen.
Ein kurzer blick nach vorn
Bayern bleibt ein starkes Bierland mit langer Tradition. Zugleich verändern alkoholfreie Stile, Spezialbiere und moderne Verpackungen die Regale. Marken mit Geschichte profitieren, wenn sie Geschmackstreue sichern und Logistik neu denken. Für Hof zählt jetzt, wie die Marke Scherdel die Bindung in der Stadt hält, obwohl die Kupferkessel schweigen.







