Zwischen Windkamm und Wolkendecke gelingen Forscherteams im äußersten Nordosten Indiens seltene Einblicke in ein hochalpines Netzwerk aus Leben und Geschichten.
In Arunachal Pradesh, weit oben im östlichen Himalaya, liefern monatelange Feldarbeiten frische Hinweise auf eine scheue Ikone: die Pallaskatze. Gleichzeitig taucht ein Mosaik weiterer Hochgebirgsarten auf und erzählt von einem Gebirge, das mehr verbirgt, als Karten ahnen lassen.
Warum eine kleine Wildkatze große Fragen aufwirft
Die Pallaskatze, wissenschaftlich Otocolobus manul, gilt global nicht als bedroht. Ihre Lebensweise bleibt trotzdem ein Rätsel. Sie meidet Menschen, jagt im Verborgenen und verschmilzt mit Geröll, Moos und Eis. Ein gesicherter Fotobeleg aus Arunachal Pradesh erweitert nun die bekannte Verbreitung der Art im östlichen Himalaya. Diese Bestätigung schließt Lücken zwischen früheren Nachweisen aus Sikkim, Bhutan und Ostnepal und verschiebt die Vorstellung, wo diese Katze tatsächlich vorkommt.
Warum zählt das? Weil Karten den Schutz steuern. Neue Punkte auf der Landkarte verändern Prioritäten, lenken Forschungsgelder und bringen Verwaltungen, Dorfräte und Ranger an einen Tisch. Wer weiß, wo Arten leben, kann Konflikte vermeiden, Weidezeiten anpassen und Wanderwege für Wildtiere offenhalten.
Erster verifizierter Fotobeleg der Pallaskatze in Arunachal Pradesh – ein Baustein, der das Verbreitungspuzzle im östlichen Himalaya neu ordnet.
Kameraaugen auf 5.000 Metern
Die Untersuchung dauerte acht Monate. Teams verteilten 136 Kamerafallen auf 83 Standorte. Das Raster spannte sich über etwa 2.000 Quadratkilometer in den Bezirken Tawang und West Kameng. Viele Geräte hingen über 4.000 Meter, einige fast auf 5.000. Der Weg dorthin führte durch Geröllfelder, Wacholderhänge und Altschnee. Führer aus den Gemeinden wählten Plätze, an denen Wildtiere ihre Pfade kreuzen.
Die Ausbeute: Bilder und Videos, die nicht nur Arten belegen, sondern Höhenrekorde andeuten. Mehrere Katzenarten tauchten in überraschender Lage auf. Dazu kommen Nachweise hochalpiner Vögel und eines Gleitfliegers, der gewöhnlich tiefer segelt.
| Art | Maximal festgestellte Höhe |
|---|---|
| Nebelparder | 4.650 m |
| Leopard | 4.600 m |
| Marmorkatze | 4.326 m |
| Himalaya-Waldkauz | 4.194 m |
| Graukopf-Riesengleithörnchen | 4.506 m |
Das Bild der Hochregion wird dichter. Neben der Pallaskatze registrierten die Kameras Schneeleoparden, Nebelparder, Leoparden, Leopardkatzen und Marmorkatzen. Einige Szenen sind kleine Lehrstücke in Koexistenz: An derselben Stelle markieren ein Schneeleopard und später ein Leopard nacheinander ihr Revier. Für die Wissenschaft liefert das Hinweise auf zeitliche Ausweichmuster und geteilte Routen entlang von Graten und Pässen.
Die Kameras zeigen ein Hochgebirge als Drehscheibe: mehrere Katzenarten, ähnliche Korridore, unterschiedliche Zeiten – weniger Konflikt, mehr Taktik.
Gemeinschaftsarbeit im dünnen Sauerstoff
Ohne lokale Erfahrung wäre das Projekt kaum möglich gewesen. Dorfbewohner und Hirtinnen der Brokpa-Gemeinschaft führten die Teams über verborgene Übergänge, markierten alte Wildwechsel und halfen beim Einholen der Speicherkarten nach Schneefällen. Auf den Bildern erscheinen deshalb nicht nur Wildtiere. Man sieht Herden auf Sommerweiden und Menschen, die seit Generationen den Rhythmus der Jahreszeiten lesen.
Diese Präsenz erzählt von einer Landschaft, in der Weidewirtschaft und Wildtiere nebeneinander funktionieren. Sie lebt von Regeln: Weidefenster, Ruhezonen, saisonale Routen. Das Wissen darüber liegt oft in Notizbüchern der Älteren und im Gedächtnis der Guides. Genau dort begann diese Studie.
Koexistenz auf Hochweiden
Die halbnomadische Herdenführung lenkt die Tiere entlang wasserführender Mulden und windgeschützter Flanken. Das schont Moose, die Feuchtigkeit speichern, und hält Flächen offen, die als Jagdraum dienen. Gleichzeitig verhindert sie, dass Herden sensible Bereiche dauerhaft belasten. Forschungsteams greifen dieses Wissen auf und verknüpfen es mit Daten aus Kamerafallen. So entsteht ein Praxisplan für Routen, bei denen weder Yaks noch Wildkatzen ausweichen müssen.
- Gemeindewissen identifiziert risikoreiche Engstellen frühzeitig.
- Monitoring in festen Intervallen macht Veränderungen messbar.
- Einfache Regeln reduzieren Störungen während der Fortpflanzungszeit.
Was die funde für schutz und forschung bedeuten
Arunachal Pradesh zählt zu den artenreichsten Regionen des Planeten. Die Kameraergebnisse stützen den Status als Biodiversitäts-Hotspot und sprechen für dauerhaftes Monitoring. Behörden, Naturschutzorganisationen und Dorfräte arbeiten bereits in Gemeindeschutzgebieten zusammen. Dieses Modell stärkt Selbstverwaltung, finanziert Rangerstellen und sorgt dafür, dass Entscheidungen vor Ort fallen.
Zu den Schwerpunkten gehören der Schutz des Schneeleoparden, Maßnahmen für Rote Pandas und die Bewahrung hochgelegener Feuchtgebiete. Solche Moore speichern Kohlenstoff, puffern Überschwemmungen ab und sichern Wasser für Täler. Wer sie schützt, schützt auch Weiden, Wälder und Dörfer am Hang.
Warum gerade jetzt Tempo zählt
Die Baumgrenze steigt langsam. Wärmere Sommer verschieben Blühzeiten. Beutetiere wandern früher. Wildkatzen reagieren sensibel auf solche Verschiebungen. Frühzeitige Datenreihen helfen, Korridore freizuhalten und saisonale Nutzungspläne anzupassen. Gemeinden gewinnen Planungssicherheit. Forschung erhält Vergleichswerte, um Trends von Ausreißern zu trennen.
Wie man die pallaskatze erkennt
Wer im Hochgebirge unterwegs ist, verwechselt die Art leicht mit einer gedrungenen Hauskatze. Einige Merkmale helfen:
- Dichter, plustriger Pelz mit grauer bis sandfarbener Tönung.
- Runder Kopf mit flach wirkenden Ohren, seitlich angesetzt.
- Kurze Beine, dadurch sehr niedrige Silhouette.
- Feine dunkle Streifen an Stirn und Schwanz, kaum Flecken am Körper.
Beobachtungen gehören an zuständige Stellen. Fotos aus der Ferne reichen, Störung vermeidet man. Jede Sichtung verbessert das Bild der Vorkommen.
Was touristinnen und bergsteiger beachten sollten
Routenwahl und Lagerplätze hinterlassen Spuren. Wer nachts keine Essensreste offen liegen lässt, lockt keine Nager an und verändert das Beutespektrum nicht. Gruppen sollten an Engstellen leise bleiben, damit Wildtiere ausweichen können. Markierungen am Boden, etwa Kratzstellen von Katzen, lässt man unangetastet. So bleiben Datenreihen sauber.
Kleines toolkit für gemeinden und schulen
Eine vereinfachte Kamerafallen-Runde lässt sich auch mit begrenztem Budget umsetzen. Drei bis fünf Geräte genügen für eine erste Saison. Aufstellen an Weggabeln, unterhalb von Pässen und an Wasserstellen. Intervall: alle vier Wochen Speicherkarten sichern, Batterien prüfen, Standort protokollieren. Schon nach einem Winter liegen Muster vor, die Gespräche im Dorf erleichtern. Wo Bewegung häufig ist, lohnen Ruhezonen. Wo nichts passiert, spart man Wege.
Die Studie aus Arunachal zeigt, wie integrierter Schutz funktioniert: Daten aus der Praxis, Wege aus der Region, Entscheidungen in Reichweite der Menschen, die hier leben. Die Pallaskatze wird bleiben, wenn Korridore frei, Weiden gesund und Feuchtgebiete nass bleiben. Genau daran knüpfen die nächsten Feldsaisons an.








