Harte Gerichtsentscheidung: Diesel-Aus für Millionen Autofahrer

Harte Gerichtsentscheidung: Diesel-Aus für Millionen Autofahrer

Eine Gerichtsentscheidung aus Schleswig-Holstein setzt die Autoindustrie massiv unter Druck. Es geht um Software, Abgase und um Fahrzeuge, die täglich unsere Straßen füllen. Die Folgen reichen von Rückrufen bis hin zu Stilllegungen – mit spürbaren Kosten für Halter und einem deutlichen Signal an Hersteller.

Was das Urteil konkret sagt

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein stellte fest: Software-Updates, die Hersteller wie Volkswagen nach dem ersten Diesel-Skandal verteilt hatten, genügen dem EU-Recht nicht. Gemeint sind Regelungen, die die Abgasreinigung in weiten Temperaturbereichen einschränken, häufig als „Thermofenster“ bezeichnet.

Die Richter werten die Abschaltung der Abgasreinigung bei üblichen Außentemperaturen als unzulässige Abschalteinrichtung – und damit als rechtswidrig.

Die Entscheidung wirkt über den konkreten Fall hinaus. Sie unterstützt die Linie europäischer Rechtsprechung, die den Einsatz von Abschalteinrichtungen sehr eng auslegt. Der Richterspruch ist noch nicht rechtskräftig, doch Behörden und Hersteller müssen bereits damit rechnen, dass Rückrufe nicht genügen und einzelne Fahrzeuge keine Betriebserlaubnis behalten.

Wen es trifft und welche Modelle gefährdet sind

Besonders im Fokus stehen Diesel der Normen Euro 5 bis Euro 6c. Die Deutsche Umwelthilfe spricht von bis zu acht Millionen betroffenen Autos in Deutschland. Neben VW tauchen Audi, Mercedes, BMW, Opel und weitere Marken in Ermittlungen und Zivilverfahren auf. Die Gemeinsamkeit: ähnliche Software-Logik, ähnliche Risiken.

Abgasnorm Baujahre (typisch) Risiko Mögliche Folgen
Euro 5 2009–2015 hoch Rückruf, Unzulässigkeit der Software, Stilllegung im Einzelfall
Euro 6a–6c 2014–2018 hoch Rückruf, strengere Prüfungen, lokale Fahrverbote möglich
Euro 6d-TEMP 2017–2020 mittel Einzelfallprüfung, weniger Fälle bekannt
Euro 6d ab 2020 niedrig konform, Beobachtung sinnvoll

Was jetzt auf Fahrer zukommt

Mögliche Maßnahmen der Behörden

Die Behörden können verpflichtende Rückrufe anordnen. Sie können eine neue Software verlangen. Wenn die Software nicht rechtmäßig arbeitet, drohen Stilllegungen. Städte können Umweltzonen schärfen und lokale Fahrverbote ausweiten. Versicherer prüfen in einigen Fällen Risikoaufschläge, wenn Stilllegungen absehbar sind.

Wer einen Rückruf ignoriert, riskiert die Fahrt ohne gültige Betriebserlaubnis – und damit Probleme bei Versicherung, Steuer und Haftung.

Was Halter sofort prüfen sollten

  • Fahrzeug-Identnummer bereithalten und beim Hersteller oder beim KBA-Tool nach offenen Rückrufen suchen.
  • Werkstatttermine dokumentieren und Arbeitsnachweise aufbewahren, besonders nach Software-Updates.
  • Aktuelle Schreiben der Zulassungsstelle beachten und Fristen einhalten.
  • Restwert im Blick behalten und Angebote von Händlern vergleichen.
  • Rechtliche Optionen klären: Gewährleistung, Minderung, Rückabwicklung oder Schadensersatz je nach Kaufdatum.

Technische Nachrüstung: Hoffnung oder Sackgasse?

Die DUH drängt auf echte Hardware-Nachrüstungen, zum Beispiel größere SCR-Katalysatoren oder zusätzliche NOx-Speichersysteme. Werkstätten melden aber Engpässe, fehlende Teile und unklare Freigaben der Hersteller. Viele Euro‑5‑Antriebe bieten gar keinen Platz für größere Systeme. Selbst dort, wo es technisch passt, steigen die Kosten oft vierstellig. Motoren können stärker beansprucht werden, wenn Software die Abgasreinigung konsequent erzwingt.

Für viele Halter bleibt deshalb nur die Wahl zwischen Rückgabe auf juristischem Weg, Weiterfahren mit Risiko oder einem Wechsel des Antriebs. Förderprogramme spielen hier eine Rolle, sind aber regional begrenzt und an Bedingungen geknüpft.

Wirkung über VW hinaus

Das Signal erreicht jede Marke, die Thermofenster oder ähnliche Strategien genutzt hat. Konzerne müssen mit neuen Sammelklagen rechnen. Leasinggesellschaften kalkulieren Restwerte neu, was Ablösekosten verändern kann. Händler auf dem Gebrauchtmarkt nehmen für Euro‑5‑ und Euro‑6b‑Diesel spürbare Abschläge. Kommunen prüfen Messpunkte, Luftreinhaltepläne und die Kontrolle von Umweltzonen mit Kamerasystemen.

Die Weichen stehen auf sauberere Flotten: weniger NOx in Städten, strengere Zulassung, höhere Anforderungen im Realbetrieb.

Rechtliche Lage und Fristen

Wer Rückrufschreiben erhält, sollte Fristen genau lesen. Die Zulassungsstelle kann eine letzte Frist setzen. Danach droht die Stilllegung. Käufer, die nachweislich ein Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung besitzen, können je nach Einzelfall Ansprüche gegen Händler oder Hersteller geltend machen. Verjährungsfristen laufen weiter; sie unterscheiden sich zwischen Gewährleistung, Delikt und Garantie. Eine fachliche Erstberatung klärt Erfolgsaussichten und Kosten.

Bei laufenden Finanzierungen kann eine Minderung die Rate senken, wenn der Mangel erheblich ist. Das hängt von Kilometerstand, Alter und Einbau der Software ab. Privatverkäufe sollten transparent über Rückrufe informieren, sonst drohen spätere Streitigkeiten.

Praxisbeispiel: so läuft eine Woche mit Risiko-Diesel

Beispiel: Ein Halter eines Euro‑6b‑Kombis, Erstzulassung 2016, erhält ein Schreiben: Verpflichtender Rückruf in sechs Wochen. Er bucht die Werkstatt, dokumentiert den Auftrag und prüft parallel den Gebrauchtwagenwert. Nach dem Update steigt der AdBlue-Verbrauch. Der Halter beschwert sich und bekommt eine Nachbesserung angeboten. Er klärt zugleich, ob ein Wechsel auf einen Euro‑6d‑Wagen mit geringerem Wertverlust möglich ist. Zwei Händler bieten Inzahlungnahme an, verlangen aber einen Abschlag. Der Halter rechnet: Mehrkosten der Mobilität gegen mögliche rechtliche Schritte. Am Ende entscheidet er sich für einen Wechsel, weil er täglich in eine Umweltzone pendelt.

Wer die Hauptuntersuchung ansteht, sollte Rückrufe vorher erledigen. Ein offener Mangel kann zusätzliche Prüfungen und Gebühren auslösen.

Nützliche Hinweise für die nächsten Monate

  • Quartalsweise die Hersteller-Informationen checken, auch ohne Behördenbrief.
  • Belege sammeln: Werkstattrechnungen, Tankbelege nach Updates, Verbrauchsnotizen.
  • Bei Wertverlusten unabhängige Gutachten einholen, bevor man verkauft.
  • Carsharing, Jobticket oder Zweitwagenlösung prüfen, falls Fahrverbote drohen.
  • Bei Firmenwagen: Flottenrichtlinie anpassen, sonst steigen die Gesamtkosten pro Kilometer.

Blick nach vorn

Viele fragen sich, ob ein Umstieg nötig wird. Eine Faustregel hilft: Wer selten in belastete Innenstädte fährt und noch Restlaufzeit bis zur nächsten HU hat, gewinnt Zeit zur Beobachtung. Wer täglich in Umweltzonen pendelt oder bereits ein behördliches Ultimatum erhielt, sollte sofort handeln. Ein planvoller Wechsel reduziert das Risiko, das Auto im schlechtesten Moment abgeben zu müssen.

Alternative Antriebe senken NOx im Stadtverkehr deutlich. Nicht jeder braucht ein neues E‑Auto. Kleine, effiziente Benziner oder Hybrid-Modelle decken viele Pendelstrecken günstiger ab. Wer jetzt rechnet, hat später weniger Ärger – und mehr Optionen, falls weitere Urteile folgen.

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